Fabelwesen auf dürren Beinen
Eine Frau startet ihre Kettensäge, schneidet in totes Holz, und heraus kommen jene durchaus fragilen Fabelwesen, die den Betrachter zur Zeit in der Galerie Kramer regelrecht einkreisen.

Auf dürre, stelzenartige Astbeine gestellt, die Wurzel zum Körper „geformt“, blicken die surrealistisch anmutenden vogelartigen Gestalten auf ihn hinab.

Drohend, gelangweilt, oder doch beschützend?

Das liegt allein im Auge des Betrachters.

Für die in Frankfurt und Michelsadt lebende Bildhauerin Gabriele von Lutzau sind es mehr oder weniger abstrakte „Lebenszeichen“ entstanden aus wirtschaftlich nicht mehr verwendbaren Thujas, aus Lebensbäumen also, denen sie ihre ursprüngliche Gestalt genommen und durch Transformation eine neue, fast wieder lebendige gegeben hat.

Um diese „Lust am Neuen“ wie auch die Ausstellung heißt, um Vergänglichkeit und Entstehung kreist das hölzerne Werk der seit 1995 als freischaffende Künstlerin tätigen Fünfzigjährigen.

Die Sichtbarmachung des Holzes als Material ist dabei nicht Gabriele von Lutzaus Anliegen.

Sie nimmt im Arbeitsprozeß zwar bewußt Struktur und Form des Baumes auf, nach der Bearbeitung aber wird die hölzerne Oberfläche meist geschwärzt.

Weniger gruselig als die Vogelgeister, aber ebensowenig von dieser Welt erscheinen Gabriele von Lutzaus „Wächter“.

Reduzierte weibliche Torsi wachsen aus schmalen Schäften, enden in „ausgefiederten“ Flügeln – engelsgleiche, wohlproportionierte Frauenkörper, allesammt entstanden aus dem gekonnten Umgang mit einem Werkzeug, das gemeinhin eher selten mit zarter Kunst, und noch viel seltener mit Frauen in Verbindung gebracht wird.

Die dritte ausgestellte Werkgruppe zeigt weniger narrative, rein abstrakte Objekte.

Von tiefen Rinnen durchzogene, sich an einem Punkt bündelnde, dynamische Wellen- oder Flammenstrukturen, die die „Sichtbarmachung des Windes“ thematisieren.

Diese gehören besonders dann zu den stärksten Arbeiten, wenn sie die manchmal zu sehr um Ästhetik bemühte Formgebung verlassen.

Gabriele von Lutzaus Arbeiten sind bis Sonntag, 20. Juni in der Galerie Kramer, Vor dem Steintor 46 zu sehen.

Die Räume sind Mittwochs bis Freitags von 16 bis 18 uhr und Sonnabends von 10 bis 15 uhr geöffnet.

Die Finissage beginnt am Sonntag, 20. juni um 11 Uhr und endet um 15 Uhr.